Das Albumcover von „Vanitas (Recordings)“ lĂ€sst auf den ersten Blick eine Collage an GegenstĂ€nden erkennen. Zu sehen sind zum einen ein unvollstĂ€ndiger Totenkopf, der durch einen Schlagring vervollstĂ€ndigt wird und zwei groĂe, gekreuzte Messer mit einem etwas kleineren Klappmesser. AuĂerdem ist eine Sanduhr in den Vordergrund gerĂŒckt und eine Taube dargestellt, die den TotenschĂ€del ergĂ€nzt und dadurch selbst verkörpert wird (vgl. Cover des Albums „Vanitas“ von Broilers 2007). TatsĂ€chlich kann man dieses Bild als ein modernes Stillleben erkennen, im Kontext zu dem Thema „Vanitas“ sogar als Vanitas-Stillleben (vgl. Claesz, Pieter: Vanitas-Stillleben. Holland 1629). Wenn man das Albumcover als Vanitas-Stillleben bezeichnet, dann kann man die Symbole hinsichtlich der Charakteristika der Vanitas interpretieren.
Der (menschliche) TotenschĂ€del ist generell ein Symbol fĂŒr den Tod und damit fĂŒr die VergĂ€nglichkeit. Hier auf dem Albumcover erscheint der Totenkopf ohne die ergĂ€nzende Wirkung der Taube und des Schlagrings unvollstĂ€ndig. Demnach ist der Mensch ohne das Streben nach Macht und Ruhm (Symbol: Schlagring) und ohne menschliche Beziehungen (Symbol: Taube) nicht komplett. Wenn also ein Mensch ohne Laster und SĂŒnde vergeht, stirbt er in diesem Kontext unvollstĂ€ndig. Was aber letztlich nicht der Wahrheit entspreche, da alles Irdische nichtig ist.
Das wĂ€re eine Art von Interpretation. Eine andere wĂ€re die, dass die gewonnene Macht und die Beziehungen zu anderen Menschen mit dem Tod vergehen. Da der Schlagring (gewonnene Macht) und die Taube (Beziehungen zu anderen Manschen) als Teil des TotenschĂ€dels abgebildet sind, wird dadurch die VergĂ€nglichkeit beider Dinge gezeigt. Neben der ablaufenden Sanduhr, die die unaufhaltsam vergehende Zeit symbolisiert, zeigen die Messer auf dem Albumcover die Verletzlichkeit des Menschen. Diese Interpretation ist legitim, da die Gesamtbetrachtung des vorliegenden Stilllebens ein menschliches Leben zum Ausdruck bringt. Da der Mensch oft Fehler aus Emotionen heraus begeht, sind GefĂŒhle und deren Verletzlichkeit Teil des Menschen. Demnach sind GefĂŒhle und Fehler vergĂ€nglich und nichtig.
Die hier dargestellte Collage kann folglich als Vanitas-Stillleben in moderner Form betitelt werden. Die BegrĂŒndung kann zum einen in dem Titel des Albums „Vanitas (Recordings)“ und zum anderen in den eindeutigen Symbolen, nĂ€mlich denen der Vanitas, gesehen werden. Ob auch im Text Wert auf das Thema „Vanitas“ gelegt wird und ob demnach ein Zusammenhang zwischen den Texten und dem Albumcover besteht, wird im Folgenden anhand von Songbeispielen respektive von TextauszĂŒgen einzelner Songs des Albums „Vanitas (Recordings)“ der Band ‚Broilers‘ untersucht.
Interessant ist, dass sich beim Hören dieses Albums auf Anhieb zwar ein roter Faden erkennen lĂ€sst, aber der Vanitas-Gedanken stellenweise nicht prĂ€sent ist. Es sind ein paar Songs auf diesem Album enthalten, bei denen der direkte Bezug zum Thema „Vanitas“ fehlt, was dann die Wahl des Titels hinterfragen lĂ€sst. Aber gröĂtenteils wurde versucht den Vanitas-Gedanken in all seiner Form zu rezipieren. Songs wie „Vanitas“, „Alles, was ich tat“, „Heute schon gelebt“, „Sicherheit“ und „WeiĂes Licht“ verdeutlichen dies durchweg sehr treffend. Eine Zeile wie „Ich liebe dich weniger als gestern und mehr als morgen“ („Vanitas“ von Broilers 2007) zeigt im Kontext das bevorstehende „Aus“ einer Liebe, welches mit dem Vers „Mit FĂŒĂen treten, was man einst auf HĂ€nden trug“ („Vanitas“ von Broilers 2007) unterstrichen wird. Ein weiteres Beispiel ist der Song „Alles, was ich tat“, der neben menschlichen Fehlern wie Lug und Betrug auch darlegt, dass sowohl Leid als auch das Leben vergehen („wir leben und lĂŒgen, wir sterben, betrĂŒgen. Wir lieben und lernen, es geht, was so fest stand“). Zeilen wie „Gutes geht und Besseres kommt“ („Punkrock Love Song“ von Broilers 2007), „Es kam der Tag, an dem ich etwas zu verlieren hatte und ich verlor, meine Liebe, dann Geld und am Ende mich selbst“ („Schönheit, das Biest“ von Broilers 2007) sind wunderbare BeispielsĂ€tze fĂŒr das Kommen und Gehen von schönen und schlechten Zeiten. Auch die VergĂ€nglichkeit der Jahreszeiten wie im Song „Halt den Sommer fest“ („Der Winter geht in diesen Tagen, bald verschmelzender Schnee. KĂ€lte stirbt in meinen HĂ€nden, wenn sich die Zeiten wenden“) wird sehr deutlich dargestellt. Dass das Leben vergĂ€nglich ist und der Tod als ein stĂ€ndiger Begleiter gilt, wird unter anderem im Song „Werdet ihr Folgen“ erinnert („in diesem Leben brennst du aus“) und in der Zeile „Das Leben wird dich töten, nur eine Frage unserer Zeit“ des Songs „Sicherheit“. Am Ende sind alle Menschen gleich, da dann weder Status noch Leid zĂ€hlt, „denn am Ende [ist] [jeder] weiĂer Dreck und weiĂes Licht“, um aus dem Song „WeiĂes Licht“ zu zitieren.
Da es schwierig ist bei 19 Songs alle Songs zu behandeln, werden im Folgenden zwei ausgewÀhlte Beispiele nÀher betrachtet.
Den Spruch „Carpe diem“ (dt. Nutze/GenieĂe den Tag), der Teil des Vanitas-Gedankens ist, findet man wieder im Song „Heute schon gelebt“, der allein mit den beiden SĂ€tzen im Refrain „Und wenn es keinen Morgen gibt, habt ihr heute schon gelebt?“ erinnert, dass man jeden Tag nutzen beziehungsweise genieĂen soll, da es nur ein Leben fĂŒr jeden Menschen gibt. Textlich werden hier eher diejenigen Menschen angesprochen, die sich und ihr Leben bereits aufgegeben haben („Huren und Trinker, vergessene Kinder“, „Junkie auf dem Klo“, „sie kokst sich heiĂ und kotzt sich kalt“) und werden dazu animiert, was zu Ă€ndern („Doch das ist nicht dein Weg“, „so was von wĂŒrdelos, wie du bist“, „Du solltest dich kĂŒmmern, hast du heute schon gelebt?“). In der letzten Strophe hingegen wird jemand dargestellt, der zwar zufrieden und mit gutem Gewissen altert („Seine Familie gibt ihm Halt, die Kinder wachsen, er wird alt“), jedoch am Ende nicht vom Gericht Gottes ausgeschlossen ist („Es kommt ein Tag, […] da schaut dir Gott mitten ins Herz. Hast du dein, du wartest kniend, Leben hier verdient?“).
Im Song „Sicherheit“ wird gezeigt, dass besonders der moderne Mensch versucht mit allen möglichen Mitteln, seien es gesundheitliche und finanzielle Absicherungen („einer, der die Stunden zĂ€hlt, hat seinen Namen unter den Versicherungen dieser Welt“, „Ich fahr‘ ein silbernes Fahrzeug, wegen dem Wiederverkaufswert“), gesunde ErnĂ€hrung („ich ess vegan und fettfrei“) oder KonformitĂ€t („Always fasten your seatbelts!“, „die Mittelspur und Licht ist Pflicht“), seine Sicherheit auszubauen, um damit Einfluss auf seine irdische Lebenszeit zu nehmen. Dadurch vergisst er aber das eigentliche Leben und lebt im Prinzip nicht fĂŒr heute, sondern immer nur fĂŒr morgen („Ich brauche Sicherheit, will, dass unter’m Strich was bleibt. Ich brauche Sicherheit, schweige, wenn das Leben schreit“). Der Gedanke an den Tod verblasst somit immer mehr, obwohl die PrĂ€senz der VergĂ€nglichkeit nicht wegzudenken ist („Das Leben wird dich töten, nur eine Frage unserer Zeit“, „Haltet die Walzen an, das Holz brauchen wir fĂŒr SĂ€rge“).
AbschlieĂend lĂ€sst sich sagen, dass durchaus ein Zusammenhang zwischen dem Albumcover und einigen Songtexten besteht, und damit der Albumtitel „Vanitas (Recordings)“ gerechtfertigt ist. Jedoch muss man auch festhalten, dass der Vanitas-Gedanke in der Gesamtbetrachtung des Albums, speziell der Songs, aufgrund der Tatsache, dass nicht jeder Song auf dem Album ausschlieĂlich dieses Thema behandelt, stellenweise untergeht. Sicherlich wĂ€re es auch wenig abwechslungsreich sich bei 19 Songs durchgehend nur auf das Thema „Vanitas“ zu beschrĂ€nken. Dennoch ist es der Band ‚Broilers‘ in einigen Liedern gelungen, besonders ihrer Zielgruppe den Vanitas-Gedanken verstĂ€ndlich nĂ€her zu bringen und damit einen Beitrag zudessen Rezeption im 21. Jahrhundert zu liefern. BEN BLADDI SOMMER
Rezeption des Vanitas-Gedankens in: BROILERS – VANITAS
